Eine Brüssel-Hospitationswoche gehört zum fixen Programm eines Sondervikariatsjahres bei der GEKE. Für uns, Kathleen Müller (K.M.) aus der Ev.-luth. Landeskirche Braunschweig und Marcus Hütter (M.H.), Evangelische Kirche A.B. in Österreich, fand diese vom 20. bis 25. Juni statt. Mario Fischer, Generalsekretär der GEKE, begleitete uns die ersten Tage und stellte das Programm zusammen. Was wir dort erlebt haben, wen wir getroffen haben, was wir uns für unser weiteres (Berufs-)Leben mitnehmen und was diese Woche zu einer ganz besonderen Erfahrung gemacht hat, wollen wir berichten – dazu haben wir uns gegenseitig interviewt (siehe unten).

A week in Brussels is part of the programme of a special vicariate year at CPCE. For us, Kathleen Müller (K.M.) from the Lutheran Church of Brunswick and Marcus Hütter (M.H.), Evangelical Church A.B. in Austria, this experience took place from 20 to 25 June. Mario Fischer, General Secretary of the CPCE, accompanied us for the first few days and put together the programme. What we experienced there, whom we met, what we took away for our further (professional) life and what made this week a very special experience, we want to report – for this we interviewed each other.

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Interview Kathleen Müller/Marcus Hütter

Kathleen Müller: „Lieber Marcus, du bist seit September 2021 als Sondervikar bzw. Pfarramtskandidat bei der GEKE und hast verschiedene Arbeitsprozesse begleitet und geleitet – was hat diese Woche in Brüssel im Vergleich so besonders gemacht?“

Marcus Hütter: „Die Brüssel-Woche war insofern eine ganz besondere Woche, weil sie so vielseitig war. Wir haben einerseits ganz unterschiedliche Menschen aus den verschiedenen Partner*innenorganisationen getroffen und andererseits einen Einblick aus erster Hand in die Arbeitsweise und das Selbstverständnis des EU-Parlaments bekommen haben. Damit haben wir zum einen gesehen, wie die vielseitige kirchliche Interessensvertretungsarbeit bei der EU geschieht und zum anderen auch die sozusagen „andere“ bzw. gesetzgebende Seite besser verstehen gelernt.“

M.H.: Hat dich ein Treffen mit einer unserer Partner*innen besonders angesprochen bzw. ist dir ganz persönlich ein Treffen besonders im Kopf geblieben?

K.M.: „Für mich persönlich war das Treffen bei der Eurodiaconia mit Anne-Sophie Wislocki sehr bedeutsam. Sie ist Head of Advocacy und hat selbst bei der GEKE gearbeitetet. Einerseits wurde uns ein Einblick darüber gegeben hat, wie Advocacy-Arbeit im Bereich sozial-diakonischer Einrichtungen funktioniert, um ihre Themen bei Entscheidungsträger*innen der EU einzubringen. Andererseits ist die Eurodiaconia, ähnlich wie die GEKE, eine membership-based Organisation. Für mich war es interessant, Parallelen und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Mitgliedsarbeit zu entdecken.“

K.M: „Selbe Frage, welches Treffen war für dich ganz persönlich besonders einprägsam?“

M.H.: „Am stärksten in Erinnerung ist mir tatsächlich unser letztes Treffen mit Katerina Pekridou von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Es war ein sehr interessantes, sehr offenes Treffen, in dem es auch stark um den Umstrukturierungs- und Neuausrichtungsprozess auch in der Strategie der KEK ging. Katerina Pekridou ist die theologische Exekutivsekretärin der Geschäftsstelle der KEK und sieht den Entwicklungen positiv entgegen. Einerseits hat sie die Probleme und Schwierigkeiten dieses Prozesses offen diskursiv mit uns besprochen, andererseits die große Vision der Strategie erörtert, die in einer effektiveren und auch proaktiven Advocacy- bzw. Interessensvertretungsarbeit für die Europäischen Kirchen zu sehen ist.“

M.H. „Magst du kurz berichten was wir sonst erlebt haben in der Woche und wen wir getroffen haben?“

K.M. „Gerne! Es war eine sehr volle und bereichernde Woche. Unser Start der Besuche begann bei der Chapel for Europe bzw. Chapel for Resurrection mit Pater Krystian Sowa. Er hat uns eingeführt in das ökumenische und religiöse Leben der internationalen EU-Mitarbeiter*innen und deren Bedürfnisse im viel beschäftigten Arbeitsalltag. Außerdem hatten wir ein intensives Treffen mit Torsten Moritz, Generalsekretär der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME), der uns von der Advocacy- und Netzwerkarbeit ihrer Organisation berichtet hat. Weiter ging es zum EKD-Büro Büro in Brüssel. Dort haben wir uns mit dem Juristischen Referenten Eike Wiesner und Susanne Wander, Beraterin für EU-Förderpolitik, getroffen, die von ihrer Arbeit berichtet haben. Ihre Aufgabe ist es, die europäische Rechtsetzungsverfahren zu beobachten und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und ihre Positionen vor den EU-Institutionen zu vertreten. Ein kurzes, aber interessantes Treffen hatten wir mit Michael Kuhn, Senior Berater für Ökologie und Nachhaltigkeit für die Commission of the Bishops’ Conferences of the European Union (COMECE). Pfarrerin Marianne Reysen aus dem GEKE Fachbeirat Bildung gab uns einen kurzen Einblick in die Organisation der europäischen Schulen. Und ein Besuch in der Evangelischen Kirche von Brüssel, auch königliche Kapelle genannt, und Ort der ältesten protestantischen Gemeinde in Brüssel durfte natürlich nicht fehlen! Die Pfarrerin Laurence Flachon hat uns dort herzlich empfangen. Und zu guter Letzt bekamen wir eine private und authentische Führung im EU-Parlament von Lawrence Urbain, einem Teilnehmer des Forum für Junge Theologie, der im EU-Parlament arbeitet.“

M.H.: „Als du gerade geredet hast, ist mir aufgefallen: es ist, glaube ich, kein Zufall und sagt was über die Besonderheit und das Selbstverständnis der GEKE als Gemeinschaft (!) Evangelischer Kirchen in Europa aus, dass unser Programm in Brüssel [von Mario Fischer organisiert, Generalsekretär der GEKE, Anm.] nicht mit einem Besuch bei einer kirchlichen Interessensvertretung beginnt, sondern bei der Chapel vor Europe, bei der es eben um das gemeinsame Leben des christlichen Glaubens geht, gemeinsam Kirche sein in versöhnter Verschiedenheit.“

M.H.: „Wie empfandest du die Advocacy- bzw. Lobby-Arbeit in Brüssel?

K.M.: „Zwischen den kirchlichen Organisationen, die Advocacy-Arbeit an den EU-Institutionen betreiben, besteht eine rege Netzwerkarbeit. Im Großen und Ganzen setzen sie sich alle gemeinsam für eine verbindende Sache vor den EU-Institutionen ein: auf biblischer Grundlage verfolgen sie eine sozialanwaltliche Rolle und setzen sich für benachteiligte Menschen und die Positionen der Kirche(n) ein. Dabei unterstützen sich gegenseitig, tauschen sich aus, nutzen Synergiekräfte. Gemeinsam können sie so vor den gesetzgebenden EU-Institutionen eine stärkere Stimme sein.“

K.M.: „Marcus, erzähl mir bitte, was nimmst du aus der Woche für deine zukünftige Arbeit in der Kirche mit?“

M.H: „Bestärkt hat mich zu sehen, dass auch in der kirchlichen advocacy- bzw. Interessensvertertungsarbeit Kooperation und das Netzwerkdenken weiterbringt als nur für sich zu kämpfen bzw. in seinem eigenen Saft zu schmorren. Auch als Gemeinde und Kirche tragen wir gesamtgesellschaftliche Verantwortung und müssen über die engen Grenzen unserer Kirchenmauern hinausblicken, das geht besser und entspricht m.E. dem christlichen Glauben, sich zusammen mit kirchlichen und nicht-kirchlichen Partner*innen auf den Weg zu machen, um Kirche mit und für andere zu sein.“

Vielen Dank für die Woche!

Photo (CPCE/M. Hütter): Kathleen Müller, Marcus Hütter with Michael Kuhn/COMECE (left)